Erweiterung der Frässimulation zur Bearbeitung von Leichtbaukomponenten unter Berücksichtigung von Werkzeug- und Maschieneneigenschaften


Prof. Dr.-Ing. D. Biermann
Dr.-Ing. Dipl.-Inform. T. Surmann

Institut für Spanende Fertigung (ISF)
Technische Universität Dortmund
Baroper Straße 303
44227 Dortmund

  

Zusammenfassung

Um eine wirtschaftliche Fräsbearbeitung von Einzel- und Serienbauteilen zu gewährleisten, ist es für Maschinenanwender oftmals notwendig, bis an die Grenzen sowohl der dynamischen Möglichkeiten des Fertigungssystems als auch des Bearbeitungsprozesses zu gehen. Zur Sicherstellung der Prozesssicherheit und der Qualität der Produkte ist es häufig erforderlich, dass in einer zeitraubenden, iterativen Optimierungsphase Werkstücke gefertigt werden müssen. Hierbei werden die Prozessparameter (z. B. axiale und radiale Zustellungen, Drehzahlen, Zahnvorschübe) probeweise variiert, bis das gewünschte Ergebnis in Bezug auf Qualität, Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit vorliegt. Ein analoges Vorgehen wird auch bei der Konstruktion von Werkzeugmaschinen angewandt. Bei der Konstruktion von Produktionszentren ist zum einen ein hohes Maß an Erfahrungswissen notwendig, zum anderen wird auch auf die Hilfe von Simulationen zurückgegriffen, um das dynamische Verhalten des Systems vor der Konstruktion beurteilen zu können. Dennoch werden häufig Optimierungen an den von den Kunden vorgegebenen Referenzprozessen in iterativen Verfahren eingebracht.

Ein ganzheitliches Simulationssystem, welches im Vorfeld sowohl den Fräsprozess an der Schneide als auch das dynamische Verhalten des kompletten Fertigungssystems vorhersagen kann, erspart für beide Einsatzgebiete (sowohl Maschinenherstellung als auch Prozess) aufwendige, kostenintensive reale Versuche. Am Institut für Spanende Fertigung existiert ein selbst entwickeltes Softwaresystem zur Simulation des dynamischen Fräsprozesses.

Es handelt sich hierbei um eine zeitbasierte Simulation des Zerspanungsvorgangs, bei der die geometrische Spanungsform lokal mithilfe von CSG (Constructive Solid Geometry), einem Verfahren, mit dem komplexe Volumina aus einfachen geometrischen Primitiven konstruiert werden können, erzeugt wird. Die dynamischen Eigenschaften von Werkzeug und Fertigungssystem werden durch ein Modell, bestehend aus entkoppelten harmonischen Oszillatoren nachgebildet. Die darauf wirkenden Kräfte, welche unter anderem auf dem Regenerativeffekt beruhen, werden auf Basis der Kienzle-Formel in Abhängigkeit von der Spanungsform berechnet. Die Betrachtung des Schnittvorgangs findet in diskreten Zeitschritten statt, wobei für jeden dieser Zeitschritte die Position des Werkzeugs aus den Kräften und den modellierten dynamischen Eigenschaften berechnet wird. Aus der so erzeugten Trajektorie lässt sich schließlich die Stabilität der aktuellen Bearbeitungssituation bewerten.

Als Eingabegrößen für dieses System dienen unter anderem die (werkzeug- und werkstoffabhängigen) Koeffizienten der Zerspankraftberechnung und die dynamische Übertragungsfunktion des Fertigungssystems. Diese Werte müssen ebenfalls durch aufwendige Versuche für jede relevante Kombination aus Werkstoff, Werkzeug und Maschine ermittelt werden.

Ziel des Transferprojekts T3 war es, in Zusammenarbeit mit Herstellern von Werkzeugen (Fa. Klenk GmbH & Co. KG) und Werkzeugmaschinen (Fa. Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH) sowie mit einem Anwender (Premium Aerotec GmbH) die Übertragbarkeit der Simulationsergebnisse auf komplex geformte Bauteile zu untersuchen und Modelle zusätzlicher relevanter Einflussgrößen zu implementieren, was die Notwendigkeit experimenteller Untersuchungen in Zukunft reduziert.

Diese Zielsetzung erforderte zum einen, dass die Werkzeugschneidenform (z. B. Spanwinkel, Freiwinkel, Keilwinkel) und die Werkstoffeigenschaften unterschiedlicher – auch schwer zerspanbarer – Materialien in die Zerspankraftberechnung mit aufgenommen werden müssen, um auch unter variierenden Einsatzbedingungen einzelne Einflussfaktoren berücksichtigen und die Anwendbarkeit des Simulationssystems gewährleisten zu können.

Abbildung 1: Auswahl von Werkzeugen unterschiedlicher Schneidenform
Abbildung 1: Auswahl von Werkzeugen unterschiedlicher Schneidenform

Zum anderen war sowohl das Schwingungsverhalten der Werkzeuge als auch das der Werkzeugmaschinen für die Qualität des Prozesses und des Produkts relevant und somit zu erfassen. Zur Reduzierung des Aufwands wurde in Bezug auf die Übertragungsfunktionen des Fertigungssystems die entsprechende Messung durch die Berechnung auf Basis eines FEM-Systems ersetzt.