2004

B4
Roeren,S :
In: Tagungsband zur Veranstaltung "Fügen im Leichtbau" im März 2004, Verlag Carl Hanser

Abstract:

Die Tendenz stetig steigender Komplexität in der Entwicklung und Realisierung von Leichtbau-Strukturen führt zu einem zunehmenden Bedarf, die Möglichkeiten der Fügetechnologien vollständig auszuschöpfen. Das Laserstrahlschweißen bietet hierbei wesentliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Schweißverfahren wie MSG- oder WIG-Schweißen. Neben der hohen Automatisierbarkeit des Prozesses sind die Schweißmöglichkeit bei einseitigem Zugang, die Nahtqualität und die Tiefenwirkung des Laserstrahls Gründe für den häufigen Einsatz dieser Technologie in der industriellen Praxis. Zur Erweiterung der Anwendungsbereiche der Lasertechnologie und zur Verbesserung der erzielbaren Nahtqualität und Prozesssicherheit werden Optimierungspotenziale eruiert. Die Simulation des Laserstrahlschweißens auf der Basis der Finite-Elemente-Methode (FEM) besitzt gleichsam die Aufgabe, aktuelle Trends der realen Fertigungstechnik abzubilden wie auch durch die Möglichkeiten der Analyse zukünftige Prozessausrichtungen zu qualifizieren. Durch den Einsatz mehrerer Wärmequellen in einer numerischen Berechnung erweitert sich das Potenzial der Simulation des Laserstrahlschweißens hinsichtlich der Untersuchung des Übergangsbereiches Wäremleitungsschweißen – Tiefschweißen. Auch der Untersuchungsraum des bifokalen Schweißens mit dem Einsatz mehrerer Strahl- quellen wird dadurch erweitert. Darüber hinaus kann durch die flexible, zeitinvariante Kombination bestehender Wärmequellenmodelle eine Topologievariierung des Fügeteils abgebildet werden. Etwa eine lokale Blechausdünnung umgeformter Bauteile kann so berücksichtigt werden. Bisher werden iterativ aus realen Querschliffen des jeweiligen Schweißprozesses Wärmequellenmodelle und -parameter auf ihre Gültigkeit in der Simulation überprüft. Einerseits erfordert dies, den realen Prozess in experimentierfähigem Zustand zur Verfügung zu stellen, andererseits werden potenzielle Abweichungen der Parameter entlang der Schweißbahn vernachlässigt, denn als Voraussetzung für die Einstellung der Parameter wird bislang ein gemittelter, stationärer Prozess angenommen. Am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) der Technischen Universität München hat sich eine standardisierte Methode etabliert, das Laserstrahlschweißen zu simulieren. Als Wärmequellen in der Simulation des Laserstrahlschweißens werden als erster Schritt analytisch beschriebene, geometrisch begrenzte Volumina im Bauteilinneren als Träger bestimmter Wärmequellendichteverteilungen definiert. Die Strahl-Stoff-Wechselwirkungen des Lasers mit dem zu fertigenden Bauteil werden dadurch abgebildet. Die Wärmequelle dient als Belastung in der darauf folgenden thermischen Berechnung. Unter Berücksichtigung thermischer Randbedingungen und Verwendung von Materialkennwerten wird eine instationäre und örtlich diskrete Temperaturverteilung im Bauteil berechnet. Mit Hilfe dieses Temperaturfeldes und unter Einbeziehung mechanischer Materialdaten hat die thermomechanische Berechnung das Ziel der instationären Spannungsermittlung. Abschließend ergibt sich die Bauteilverformung durch den Prozess unter Berücksichtigung der Einspannsituation. Der Bauteilverzug stellt eine wichtige Größe dar, da die Deformation in der realen Fertigung als Kriterium für den Einsatz des Schweißprozesses gilt. Eine Minimierung des Verzugs oder eine bewusste Verformung, die durch eine simulative Berechnung tendenziell bestimmbar ist, erweitert das Einsatzspektrum des realen Prozesses. Am iwb wird derzeit eine Methode erstellt, die es erlaubt, für den Anwender der Schweißsimulation die Komplexität zu verringern und dabei durch eine fortlaufende automatisierte Wärmequellenanpassung dabei sogar eine erhöhte Ergebnisqualität zu erzielen. Diese Steigerung der Effizienz wird dadurch erreicht, dass jeder diskrete Zeitschritt der numerischen Berechnung einzeln als Regelkreis definiert wird. Dieser Regelkreis besitzt neben den konstanten Parametern für die FE-Berechnung der jeweiligen Zielgröße variable Eingangsgrößen. Die Größen werden durch die Berechnung und Auswertung des zuletzt gerechneten Zeitschrittes beeinflusst und legen zuerst die Art und darauf hin die Parameter des Wärmequellenmodells für jeden Zeitschritt fest. Ein Kriteriensystem zur Bestimmung der realen Situation im Prozess zum entsprechenden Zeitschritt ist die Basis für die Bestimmung der Wärmequelleneigenschaften. Der Prozess des Laserstrahlschweißens ist durch die Möglichkeit des Lasers, einen hohen Energiefluss (etwa 3kW) auf eine kleine Fläche (etwa 0,75mm²) aufzubringen, gekennzeichnet. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass in diesem Bereich die Verdampfungstemperatur des Werkstoffs überschritten wird. Dadurch öffnet sich eine Dampfkapillare (engl. keyhole) an der Bauteiloberfläche, die Teile der Laserstrahlung tief in das Bauteil hinein lenkt. Innerhalb der Kapillare treffen Anteile der Laserstrahlung durch Vielfachreflexionseffekte auf die Grenze zum Materialsystem. So wird Laserstrahlung auch innerhalb des Bauteils absorbiert und die Geometrie des Schmelzbades erstreckt sich merklich tiefer in das Material. Daher wird dieses Phänomen als Tiefschweißeffekt bezeichnet. Die Stabilität der Dampfkapillare wird durch komplexe physikalische Zusammenhänge bestimmt. Das Zusammenwirken von hydrostatischem Druck, der einfallenden Intensität der Laserstrahlung und der Strömungsmechanismen in der Umgebung der Dampfkapillare bestimmt das Ver-halten der Stabilität des keyholes. Am iwb wird derzeit ein vereinfachtes Ersatzsystem modelliert, mit dem an Hand der Auswertung verschiedener empirischer und physikalischer Kriterien die Existenz einer Dampfkapillare bestimmt werden soll. In Analogie zu Ähnlichkeitstheoremen im Bereich der Strömungs- und Wärmelehre wird ein für bestimmte Materialien gültiges Modell erstellt, mit dem die zeitabhängige Existenz einer Dampfkapillare ermittelt werden kann. Die Überprüfung der Situation geschieht in jedem Zeitschritt der diskreten Berechnung und nimmt daher gezielt Einfluss auf die Auswahl der Wärmequelle und der Wärmequellenparameter. Erste Simulationsversuche zeigen den erheblichen Einfluss der Modifizierung von Wärmequellenmodellen. Bereits kleine Änderungen der Parameter während der Berechnung bewirken eine deutliche Abweichung des Bauteilverzugs. Die Modellierung des Tiefschweißeffektes zeigt im Vergleich zur Abbildung des Wärmeleitungs- schweißens eine drastische Veränderung des Verzugsverhaltens und untermauert somit die Relevanz des flexiblen Einsatzes von Wärmequellenmodellen in der Simulation des Laserstrahlschweißens. Dieser Beitrag ist im Rahmen der Projektarbeit des Teilprojektes B4 „Simulation des hybriden, bifokalen Laserstrahlschweißens“ des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten SFB TRANSREGIO 10 „Integration von Umformen, Trennen und Fügen für die flexible Fertigung von leichten Tragwerkstrukturen“ entstanden.